Normfall Examenstrainer

Strafrecht, 23.02.1996

Kfz-Doppelzahlungsfall


Sachverhalt

A betreibt einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen, die er im Auftrag der Eigentümer gegen Provision veräußert. Er tritt dabei als Vertreter der Verkäufer auf und hat nach den getroffenen Vereinbarungen den Kaufpreis, der einen bestimmten Mindestbetrag nicht unterschreiten darf, nach Erhalt abzüglich seiner Provision an die Verkäufer abzuführen.

Für die notwendige Pflege der zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge zieht A gelegentlich B heran. Als B eines Tages im Büro des A die für den Kunden K bestimmte Ausfertigung eines von A bereits unterzeichneten Kaufvertrages über das Fahrzeug des V entdeckt, sieht B eine Möglichkeit, seine drückenden Zahlungsprobleme zu lösen: Er streicht die Geschäftskontonummer des A und setzt dafür die Nummer seines Kontos ein. Dabei sieht er nur die Möglichkeit einer Schädigung des K in Gestalt einer doppelten Zahlung.

A entdeckt die Manipulation des B bei einer zufälligen nochmaligen Durchsicht seiner Geschäftsunterlagen und durchschaut auch den Plan des B, sich auf diese Weise Geld zu verschaffen. Da er eine Auseinandersetzung mit B scheut, läßt er es jedoch zu, daß sein ahnungsloser Bürogehilfe die manipulierte Ausfertigung an K verschickt; im übrigen meint er, jedenfalls ihm selbst könne daraus über einen etwaigen Verlust der Provision hinaus kein finanzieller Nachteil entstehen. A rechnet allerdings sowohl damit, daß K doppelt zahlen muß, als auch damit, daß V leer ausgeht. Tatsächlich geht nach einigen Tagen auf dem Konto von B ein Betrag in Höhe des Kaufpreises von DM 20.000.-- ein.

Als V - nach mehreren Wochen des Wartens ungeduldig geworden - von dem gutgläubigen Bürogehilfen des A auf Nachfrage bestätigt erhält, ein Zahlungseingang seitens des K sei noch immer nicht zu verzeichnen gewesen, verklagt er K auf Zahlung des Kaufpreises. In diesem Verfahren wird A als Zeuge uneidlich dazu vernommen, ob auf dem zwischen ihm als Vertreter des V und dem K geschlossenen Kaufvertrag die Nummer des Kontos von B angegeben gewesen sei. A bekundet, weder er selbst noch eine von ihm autorisierte Person habe die vorgedruckte Kontonummer geändert. Von seiner Kenntnis der Manipulation des B berichtet er freilich aus einem ganz bestimmten Grund nicht: er befürchtet, sonst selbst von V oder K in Anspruch genommen zu werden. V bestreitet daraufhin ein obliegendes Urteil und erhält nach Eintritt der Rechtskraft das eingeklagte Geld.

In einem gegen B geführten Strafverfahren wird A wiederum als Zeuge vernommen. Dabei kommt alsbald der Verdacht auf, daß er in dem Zivilprozeß zwischen V und K nicht die volle Wahrheit gesagt habe. Aufgrund eindringlicher Ermahnungen des Gerichts berichtet A schließlich wahrheitsgemäß über die von ihm erkannte Manipulation des B. Eine vorherige Belehrung des A nach 55 StPO fand nicht statt.

Aufgabe: Wie haben sich A und B strafbar gemacht?